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Dr. Johannes Jetschgo im Gespräch mit Alexander Fasekasch

Februar 2023, Galerie in der Schmiede, Pasching / Linz
© Film: Ewald Stieger

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Günther Oberhollenzer

SIX APPEAL! Ein imaginärer Aus­stel­lungs­rundgang
Leicht redigiertes Trans­kript einer nicht gehaltenen Eröf­fnungs­rede

Die ersten Bilder, die mir im Raum von Alexander Fasekasch ins Auge gesp­rungen sind, waren die Porträts von Karl Valentin und Gustav Klimt. Immer wieder malt der Künstler bekan­nte Persön­lich­keiten, doch diese sind, wie auch die sonst vorkom­menden Themen, oft nur Vorwand, um eine span­nungs­volle, formal her­aus­for­dernde Malerei zu erschaffen, eine Malerei auch, die uns berührt und erfreut, viel­leicht aber auch irritiert und beunruhigt.

Fasekasch ist Maler durch und durch. Allein wie er mit wenigen Strichen und sicherem Gestus eine Figur - wie etwa einen mensch­lichen Kopf oder auch einen Hund, eine Katze - in ihrem Wesen zu erfassen vermag, ist beein­druckend. „Ich möchte der inneren Sicht nach Wahr­haftigkeit Aus­druck verleihen“, betont der Künstler. Ein wahrlich hoher Anspruch. Und weiter: „Ich möchte nicht zum künsteln anfangen“ - also nicht malerisch zu genau werden, zu stark Details aus­formu­lieren. Im schnellen Duktus liegt die Span­nung, diesen kann man nicht planen. Der Künstler lässt den Farben und Formen, den Linien und Flächen ihr eigenes Spiel treiben.

Fasekasch verbindet stilsicher und mit leichter Hand Zeich­nung und Malerei. Sie sind im Bild gleich­be­rechtigt, die Über­gänge erscheinen spieler­isch und fließend: die erwähnte Katze besteht aus realistisch gemaltem Rumpf und gestisch abstra­hiertem Kopf, der skiz­zen­haft gezeichnete Hund kontrastiert mit einem malerisch aus­formu­lierten Porträt von Lucian Freud. Dem Künstler gelingt es dabei, recht­zeitig mit dem Malen aufzu­hören, sodass im Bild eine formale Offen­heit und Leichtig­keit wie auch inhalt­liche Viel­deutig­keit gewahrt bleibt. Themen sind Nostalgie und Sehn­sucht, Kind­heit und Zeit­geist, oft aber auch eine gewisse Morbidität, sowie die immer­währende Suche nach dem „Zwischen­raum zwischen Harmonie und Disharmonie, zwischen abstoßend und anziehend“.

SIX APPEAL > Imaginärer Ausstellungsrundgang

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Leopold Kogler

ZEICH­NUNG ZWISCHEN EMPFIN­DUNG UND AUS­DRUCK
Eine An­nähe­rung an das zeich­ner­ische Werk von Alexander Fasekasch

Das Verständnis der Zeich­nung hat sich in den 1970er-Jahren neu formiert, weil sich auch die theo­re­tischen Grund­lagen der zeit­­genös­sischen Kunst geändert hatten. Die Zeich­nung kon­nte der Selbst­kritik ent­gehen, die Ma­lerei hin­ge­gen war an einen Schluss­punkt ange­langt. Als Ent­wurfs­me­dium und als Test­ge­lände für Ideen war die Zeich­nung weiter­hin von fun­da­men­taler Be­deu­tung. Die Linie war im Kontext der Malerei von ihrer Um­riss­funk­tion gelöst worden. Die Be­freiung der Linie von der Reprä­sen­ta­tions­funk­tion hatte be­gon­nen und sie endete mit dem Über­tritt der Zeich­nung in den „Real­raum“. Die Zeich­nung ist ein spontanes und weitreichendes künstlerisches Medium geworden und erfährt in der Gegenwart eine ungeahnte Renaissance. Mit der Zeichnung können die unter­schied­lichsten Reali­täten einge­fangen und ausge­breitet werden. Die Zeich­nung ist zu einem spe­ziellen Seismo­graphen geworden. Sie spielt eine ent­schei­dende Rolle in der Gegen­warts­kunst, seit die Kon­zept­kunst dieses Medium als ur­sprüng­liche Arbeits­form ent­deckt und mit seinem Ent­wurfs­charakter wesent­lich aufge­wertet hat.

Alexander Fasekasch ver­wen­det das Zeichen­blatt als eine Auf­zeich­nungs­fläche, auf der er seine Ideen ent­wickelt und in die Auto­nomie entlässt. Er ver­ankert seine Bilder­welten mit ver­schie­denen Stiften. Die Zeich­nung wird zum visuel­len Feld voller Illu­sionen. Was die Zeich­nungen von Fasekasch deut­lich offerieren, sind die Linien zwischen den verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten des Zugriffs auf die Bildfläche. Zeichnen ist bei ihm der Abdruck des Moments. Es ist eine Referenz an die Zeit und an die Emo­tion. So stellt Alexander Fasekasch etwa in seinen klein­forma­tigen Zeich­nungen das charakter­is­tische Wesen des Ab­ge­bil­deten und die existen­tialis­tische Kraft heraus, die er zusätz­lich über die reale Situ­ation hin­aus erwei­tert. Ange­regt durch künst­lerische Zeug­nisse aus dem großen Fundus zeichner­ischer Mani­festa­tionen findet er in seinen Zeich­nungen weit über die repräsen­tative Form hinaus, die sein persön­liches Emp­finden spiegelt.

Seine Bild­welten schildern mehr als indivi­duelle Erleb­nisse und Befind­lich­keiten. Sie werden zum Balance­akt seines eigenen Emp­findens und dem kraft­vollen Selbst­be­wusstsein zwischen mutiger Existenz und sinn­licher Perspek­tiven­suche.

Seine zeich­nerischen Manifes­tationen ent­springen der sinn­lichen Erfah­rungs­welt ebenso wie der spon­tanen Ein­bil­dungs­kraft. Sie dienen zur Ver­an­schau­lichung seiner inneren Wahr­neh­mung der Wirk­lichkeit. Imagi­nation und Wirk­lich­keit ver­binden sich zu einer Drama­turgie der Linie.

Das zeich­nerische Werk von Alexander Fasekasch ist frei, innovativ, visionär und kompro­misslos und von zen­traler Bedeu­tung in seinem künst­lerischen Schaffen. Seine Ideen­skizzen sowie die auto­nomen Zeich­nungen de­kli­nieren seine Themen­felder neu und sind von aktu­eller Frische. Sie stel­len Essenz wie auch Quint­essenz von Fasekaschs Schaffen dar und sind zu­dem berührende Doku­mente seines Willens, sich scho­nungs­los dem Aus­druck mit dem Medium Stift zu stellen.

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Peter Assmann

Alexander Fasekasch - vom Bühnenecho der Bilderwelten

I. Souveränität

Am Beginn steht zunächst der frappante Eindruck des gestalterischen Könnens, eines souveränen Einsatzes von malerischem und grafischem Wissen, eine Zusammenfassung kunsthistorischer Erfahrungswelten jenseits ausschließlicher Zuordnungen, zumal im Hinblick auf Begriffe wie "Abstraktion" oder "Figuration". Die souverän gesetzten Linien sind sich ihrer definitorischen Aufgabe bewusst, sie bestimmen Konturen, sie bezeichnen die wesentlichen Formelemente, sie setzen jene Akzente, die für den Betrachter klar lesbare Zitate seiner Alltagsrealität bzw. kulturellen Bildung sind. Die Farbe öffnet zumeist den Raum, sie separiert Vordergrund und Hintergrund, sie akzentuiert einzelne Formen, manchmal durchaus in der Funktion einer Lokalfarbe. Zumeist ist sich die Farbe gleichsam ihrer im Gegensatz zu Linie "Unschärfe" bewusst, sie ist eine dezidiert gesetzte Annäherungsgröße.

Souverän erfolgt in diesem Sinne jede Komposition eines Bildwerks, ob auf Papier oder Leinwand gestaltet. Jedes einzelne Formelement ist hier betont, es steht in voller Kraft da, ob es nun auf dem ersten Blick zu seinem Nachbarelement passend scheint oder nicht. Jedes Formelement bestimmt zudem in seiner spezifischen perspektivischen Ansicht eine selbstständige Raumsituation - die durchaus im bewussten Kontrast, ja oftmals Konflikt mit der Nachbarform steht.

Daraus entsteht konstruktive Reibung, es bestimmt sich eine beständige Herausforderung, die sich keinerlei Blöße gibt, sondern vielmehr erfolgreich auf die Kombinationsfähigkeit des Betrachters vertraut, auf sein kulturelles Vorwissen und auf seine Fähigkeit, es zu verändern - hier ebenfalls immer selbstbestimmter zu agieren. Denn bei all ihrer Präzision und kompositorischen Souveränität geben die Bildwerke von Alexander Fasekasch letztlich wenig vor, sie befragen vielmehr mit zeitgemäß intensivierter künstlerische Kraft.

II. Überraschung

Nun hat ein gegenwärtiger Betrachter dieser Bildwelten schon viel gesehen, sieht jeden Tag aufs Neue und orientiert sich an solchen Vorbildern. Anhand von zentralen Bildern ist er in der Schule belehrt worden und wird es in seinen vielfältigen Lebenskontexten immer noch. Bestimmte Figurenbilder sind ihm oft und oft begegnet, bis zu ihrer selbstverständlichen Wirkung, bis zur unreflektierten Zuordnung, bis sie gleichsam die Funktion von Leitbildern haben. Alexander Fasekasch greift sehr bewusst auf solche bis ins Selbstverständliche hinein etablierte Formelemente zurück, er isoliert sie und kombiniert sie in neue Zusammenhänge - die den Betrachter nicht nur auf den ersten Blick überraschen.

Jeder Blick auf eine solche Bildkomposition des Künstlers bringt dieses Überraschungsmoment, bringt die Frage nach der bestehen bleibenden Bedeutung, nach möglichen weiter ergänzenden Bedeutungen, nach der Auflösung von Selbstverständlichkeiten und der zunehmenden Fremdheit von zunächst absolut vertraut erscheinenden Formelementen. Dabei sind es nicht nur die scheinbar vertrauten Identitäten, die hier infrage gestellt werden, sondern auch die Ansichtsperspektiven selbst, die bildhafte Präsenz kultureller Zuordnungen. Christus am Kreuz, eine Muttergottesfigur, ein nacktes Pin-up-girl, ein Soldat, ein Narr, ein lebendig gewordenes Wildbret, immer wieder von neuem Gesichter, Menschen von nebenan, Hunde, Schweine und Menschen mit Hunden, auch Textelemente - so vertraut sie zunächst erscheinen, so überraschend fremd treten sie in den Bildern des Künstlers auf, so überraschend sind die Wege ihrer neuen Annäherung an das Betrachterauge, an die neuen Zuordnungen, die hier erwartet werden.

Nur eine konsequent geöffnete Bildsituation schafft es, langfristig überraschend zu wirken: Die Bildwerke von Alexander Fasekasch bleiben konsequent offen.

III. Auftrittsgesten

In ihrer zumeist sehr reduzierten Raumsituation erscheinen die Bildkompositionen des Künstlers durchwegs wie Bühnenszenarien - als ob eine eigene Darstellungswelt aufgebaut worden wäre, Kulissen, Kostüme, Komparsen zu einer verdichteten Präsentationsszene komponiert worden wären. In diese Bühnenwelt hinein setzen die einzelnen Formelemente ihre bewussten Auftrittsgesten, inszenieren ihr Erscheinen. Sie wirken, als ob sie sich des intensiv Angeschaut-Werdens voll bewusst wären, als ob sich ihre Gegenwart im Angeschaut-Werden erst vollziehen würde. Bis hin zur Wirkung eines kompletten Ein-Personen-Stückes reicht ihre jeweilige Präsenz; sie sind absolute Hauptpersonen, sie suchen Raum für Ihre spezifische Ausdrucksbotschaft: Sie haben, immer wieder von neuem, ihren speziellen Auftritt.

Dieser Auftritt wirkt zunächst durchaus selbstgenügsam, durchaus in sich abgeschlossen, auf das jeweils Eigene konzentriert. Gerade aufgrund der bei jeder Figur in gleicher Weise beobachtbaren Konsequenz der eigenen Selbstorientierung baut sich allerdings eine gemeinsame Atmosphäre auf, eine Welt des Rollenspiels, die immer wieder von neuem die Frage nach dem Zusammenhalt, nach den Beziehungssystemen, nach den Kommunikationsmöglichkeiten stellt. Die eigene Existenz ist unbestreitbar gegeben, fast ein wenig zwanghaft muss sie jedoch nach vorne, hin zum Publikum getragen werden, um aus der individuellen Abgeschlossenheit herauskommen zu können. Der Auftritt ist hier zugleich eine Form der Befreiung, zumindest das Erproben einer solchen Möglichkeit. Jede Vorstellung wird daher wieder zu einer Probensituation zurückgeführt.

IV. Identitäten

Die Rollenverteilung ist also offensichtlich klar: Der Regisseur/Künstler hat seine Entscheidungen getroffen, seine Typen ausgewählt, den Auftritt genau inszeniert. Allerdings das jeweilige Ambiente auch so gewählt, dass jeder Auftritt nicht nur eine eigene Botschaft vorstellt, möglichst prägnant Identitätsformen vermittelt, sondern zugleich auch diese angreifbar macht, ihre möglichst klar geschnittene Profilierung aufzulösen versucht. Starke Kontrastierungen, befremdliche Kombinationen und ein gleichsam Ineinander-Verkanten verschiedener individueller Bühnenraumsituationen rund um die jeweiligen Auftrittsakteure schaffen hier eine Gesamtsituation von so starken Identitätsträgern, dass die Gesamtsituation ins Wanken gerät. Die klaren Identitäten verrutschen ineinander, fast scheinen sie in ihrer großen Auftrittskraft allmählich zu implodieren.

Zumindest ihr jeweiliger individueller Zusammenhalt erscheint zunehmend gefährdet: je mehr sie auftreten, je häufiger sie ihre Identitäten nach vorne spielen desto mehr verschleiert sich ihre Bedeutung, verflacht sich ein zunächst zu durchgängig erscheinender individueller Zusammenhalt. In der Tiefenentwicklung der Bühnensituation dieser Identitätenauftritte lauert die langfristig wirksame Kraftdimension der Infragestellung, eine konsequente, übergeordnete Beziehungswelt ohne starre Zuordnungen, beweglich und weiterentwicklungsorientiert.

V. Kommentar

So kraftvoll also auch eine Identität der dargestellten Form erscheint, so in sich abgeschlossen sich diese Identität auch präsentiert, so beeindruckbar wird sie in der künstlerischen Inszenierungswelt von Alexander Fasekasch kommentiert, bis hin zu einer konsequenten Öffnung der zuvor in sich abgeschlossenen Identitätengröße. Die bildende Kunst erweist sich hier einmal mehr als eine Erkenntniskraft des Menschen, die absolut fähig ist, Weltbildidentitäten nicht nur infrage zu stellen sondern auch weiterzuentwickeln.

Im bisherigen Werk von Alexander Fasekasch sind es vor allem die Themenfelder Gewalt, Fleischlichkeit, individuelle und kollektive Macht wie auch gleichsam die Herrschaft über den nächsten Schritt, die hier konsequent kommentiert werden. Seine großen Fähigkeiten als Grafiker, mit kraftvoll sicheren Liniengebilden überzeugend wirksame Spuren ziehen zu können, im Zusammenwirken mit seiner konsequenten bildhaften Inszenierungsarbeit schaffen eine irritierend selbständige und doch so vielfältig verbundene eigenständige Bildwelt, die sich nicht scheut, grausam wirkende - weil immer tiefer sich hinein bohrende - Kommentare einer an großen Themen orientierten Bilderkommunikation zu gestalten. Sie präsentiert sich im Bewusstsein einer großen Freiheit aber auch entsprechender visueller Verantwortung, denn:

"Auch in einem umfassenderen Sinn kommt das Sehen vor dem Sprechen: Durch das Sehen bestimmen wir unseren Platz in der Umwelt, die sich mit Worten wohl beschreiben, nicht aber in ihrer räumlichen Existenz und Vielfalt erfassen lässt. Zwischen dem was wir sehen und dem, was wir wissen, herrscht keine feststehende Beziehung." (John Berger: sehen. Das Bild der Welt in der Bilderwelt)

Alexander Fasekasch arbeitet mit seinen Bildkompositionen an der Beweglichkeit dieser Beziehung, in Kenntnis der enormen Kraft von bereits bestehenden Weltbildern einerseits, andererseits im Vertrauen auf die Entwicklungskräfte bildenden Kunst und in Kenntnis ihrer bisher entwickelten malerischen und grafischen Möglichkeiten.

"Zum anderen verweist ein Kunstwerk auch auf seine Autorität im kulturellen Bereich, auf eine Art Würde, ja Weisheit, die jedem gewöhnlichen materiellen Interesse übergeordnet ist." (nochmals John Berger)

Peter Assmann

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Brigitte Reutner

KEINE LEICHTE KOST - Zu den Zeichnungen Alexander Fasekaschs 

Das Kind mit dem Teddybären an der Leine könnte wohl als Fasekaschs Stilikone gelten. Oberflächlich betrachtet völlig harmlos. Ein Kind, das einen Teddybären wie einen Hund an der Leine führt. Doch bei näherer Betrachtung: das Mädchen blickt sehr traurig. Es ist möglicherweise von einem Albtraum aufgewacht und geht nun hinüber ins Schlafzimmer der Eltern. Es hat Angst. Der Teddybär neben ihr ist gestürzt. Das Mädchen hat ihn an einem Bein festgebunden und nicht am Hals, wie man es üblicherweise mit Haustieren zu tun pflegt. Das ist ein merkwürdiger Umgang mit einem Stofftier, das dadurch wohl oder übel am Boden geschleift wird. Es wird staubig, schmutzig, seine Zeit als Seelenwärmer wird dadurch verkürzt.
Der Teddy kann sich zudem nicht wehren, denn seine Lebendigkeit existiert nur in der Imagination des Kindes und vielleicht auch des Betrachters / der Betrachterin. Was veranlasst das Kind zu einer solchen Grausamkeit? Wo hat es das gesehen? Weshalb hält es den Teddy nicht liebevoll im Arm? Kinder werden mit den Handlungsmustern von Erwachsenen konfrontiert: in den Medien, im familiären Umfeld und darüber hinaus. Das sind keine Kinderträume, die hier dargestellt sind. Es sind die tradierten Muster und üblichen Herangehensweisen der Erwachsenen, die nun in die Kinderwelt projiziert sind. Daraus beziehen die Bilder Fasekaschs ihre Spannung, dadurch sprechen sie uns unmittelbar an. Sie tun uns weh. Wir können wegschauen, doch sie bleiben uns in Erinnerung. Sie berühren wunde Punkte in unserem emotionalen Körper.

Was war zuerst, die Henne oder das Ei? In Alexander Fasekaschs Oeuvre kann man das – bezogen auf die Genese von Zeichnungen und Gemälden – nicht so leicht beantworten. Die ersten Zeichnungen entstanden nach den ersten Gemälden. Nicht so, wie man es sonst zu finden pflegt. Die Themen der Zeichnungen sind typisch für Fasekasch. Sie unterscheiden sich wenig von den Sujets seiner Gemälde: die Auseinandersetzung mit der Tradition und dem Brauchtum, prominente Persönlichkeiten, Kinderdarstellungen, Sportevents, Schlagzeilen aus den Medien, Tiere und die Glaubensund Todesthematik.

Der Duktus der Zeichnungen ist sehr unterschiedlich, einmal krakelig-hart (v. a. bei den Portraits), dann wieder fließendweich (bei so manchen Tierdarstellungen). Manchmal fächern sich zwei Darstellungen scheinbar auf, als ob es sich um mehrfach belichtete Fotoarbeiten handeln würde. Das Motiv der Verdoppelung von Sujets, teilweise sogar Vervielfachung kommt in einigen Zeichnungen vor. Von Kopieren, Klonen und der Beschleunigung der Eindrücke künden diese Arbeiten – Phänomene unserer modernen Zeit.

Häufig findet man Konfrontationen in Fasekaschs Bildern, Tiere gegen Menschen oder Menschen gegen Tiere. Tiere werden an der Leine dargestellt, aus der Sicht des angeketteten Tieres, das folgsam neben seinem Herrchen oder Frauchen einhertrabt. Ein Mann, der ein Rind zu schlachten beabsichtigt und in seinem geistigen Auge lediglich den erwarteten Profit, den die einzelnen Fleischteile erzielen werden, sieht. Eine Ausnahme von der aggressiven Konfrontationsthematik sind die Darstellungen von Kindern, die sich den Katzen und Hunden liebevoll nähern.

Menschliche Tragödien spielen sich in Fasekaschs Bilder ab, wie das mit „Freak Show“ bezeichnete Triptychon erkennen lässt. Die Verzweiflung ist latent vorhanden und / oder die beißende Kritik. Aber Hunde, die bellen, beißen nicht, heißt es in einem allbekannten Volksspruch. So verhält es sich auch mit Alexander Fasekaschs künstlerischen Arbeiten. Sie klagen nicht an, sie wollen uns nur aufrütteln.

Manche Zeichnungen des Künstlers sind spontan hinskizziert, andere hingegen sind präzis farbig ausgeführt. Doch was in den meisten Zeichnungen ausgespart bleibt, sind die Hintergründe, raumprojektiven Bildgründe. Die Motive präsentieren sich dadurch meistens außerhalb von Raum und Zeit. Die Zeichnungen halten etwas rasch fest. Sie sind Momentaufnahmen, Realitätsfragmente, deren Bildausschnitt manchmal sehr drastisch gewählt ist. Bildlich gefasste Shortcuts, erstarrt und eingefroren in der momentanen Gegenwärtigkeit.

Keine leichte Kost - aber wer isst schon gerne jeden Tag Karottenbrei oder Kartoffelpüree?

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Josef Pausch

FREISPIELEN, BANNEN, ZEICHEN SETZEN, ODER
> ICH FORDERE DIE MENSCHEN AUF NACH INNEN ZU HÖREN <
Zur Arbeit von Alexander Fasekasch

Mein erster Eindruck: Kraft, Konsequenz und formale Stringenz. Malerisches und graphisches Gespür, gepaart mit Experimentierfreude.

Mein zweiter Eindruck: komplexe Strategien, die Ausdruck finden in intensiven Farbfeldern. Lineaturen, kraftvoll und sensibel zugleich. Die Bildbotschaften oszillieren zwischen optimistischer Kraft und verhemmtem Gestaltungswillen.

Mein dritter Eindruck: oft verdichten sich formale Aspekte zu bisweilen naturalistischen Realitätssplittern. Mit kraftvollen Gesten werden diese Realitätssplitter verstärkt, verfremdet, zum Teil ins Unkenntliche zerlegt und auf Alexander Fasekaschs ureigenstes Gespür auf das wesentliche Subjektiv zusammengesetzt.
So entstehen emotionale Landschafts- oder organische Strukturen deren formale Interpretation vieldeutig ist. Inhaltlich beeindruckend ist dabei die Gültigkeit der so entstandenen Bilder 1.

Einen Einblick in das kreative Potential, das vielfältig Erfahrung in Bezug auf komplexe, psychische Erfahrungen ermöglicht, wie der Werkblock, der sich mit der menschlichen Psyche und Physiognomie auseinandersetzt. Diese Ausformungen sind fern jedes mir bekannten Ismus. Sie sind emotionelle Drohgebärden, deren Relativierung, Vernichtung oder Bannung suggerieren. Es ist die „Rückkehr des Affekts“ und lässt sich am Beispiel der künstlerischen Darstellung des Menschen in seinen Arbeiten am einleuchtensten beschreiben. Dabei wird deutlich, dass die Bemerkungen zum Warencharakter und zur Verdichtung in gleicher Weise auf Alexander Fasekaschs menschliche Objektive zutreffen, etwa jene Zeit- und Ortsgenossen in Tracht (Tradition). Darin lässt sich, wenn etwas gewaltsam, eine eindrucksvolle komprimierte Parabel in der Malerei eines Francis Bacon finden. Es sind die Themen, wie Entfremdung, Anomie, Einsamkeit, gesellschaftliche Fragmentierung und Isolation programmatisch als Emblem all dessen, was als „Zeitalter der Unsicherheit“ bezeichnet wird. Dieses Gemälde ist nicht nur als Verkörperung des Ausdrucks der Affekte zu beschreiben, sondern als eine Art Dekonstruktion eben jener Ästethik des „linearen, abstrakten Bildausdruckes“ seiner nebenan oder voran entstandenen Bilderserie. Denn der Begriff „Ausdruck“ selber setzt eine Spaltung innerhalb eines Subjekts voraus und impliziert jene große Metaphysik des Innen und Außen, des stummen Schmerzes der Monate und des Augenblicks, in dem die „Emotion“ kathartisch nach außen projiziert und entäußert wird.

So gesehen bedarf es einer intensiven Beschäftigung mit den Arbeiten und mit der Person Alexander Fasekasch, um den endlosen prozesshaften Kreislauf von intensiver bildnerischer Kontrastbildung, sozusagen als Postulat einer These und deren Aufhebung, Relativierung [eine Anschauung, nach der jede Erkenntnis nur vom Standpunkt des Erkennenden her richtig ist, nicht aber allgemeingültig], Marginalisierung [zwischen zwei Grenzen angesiedelt, oder Grenzgänger] oder auch Auratisierung verstehen zu können. Denn im Grunde bleibt uns nur die nachvollziehbare Gestaltung mit ihrem stets offenen Ausgang erhalten 2.

Thematisch und formal hat Alexander Fasekasch seinen Weg gefunden. So hoffe ich, gültige Aussagen – ihre Existenz, als auch Weltbild angehend – zu formulieren und in seine Bildsprache umzusetzen, der Fetischisierung der Zeichen – im Kontrast zwischen dem Dargestellten und der inneren Sicht – betreffend.

1) Es liegt nahe, an das Zitat von THEODOR W. ARDORNOS in seiner ÄSTHETISCHEN THEORIE zu erinnern, wo er vom notwendigerweise Widersprüchlichen spricht, das im Kunstwerk zusammengeführt sein muß, damit als solches für den Rezipienten als ein >Lebendiges< erscheinen mag: „Was in dem Kunstwerk knistert, ist der Laut der Reibung, der antagonistischen Momente, die das Kunstwerk zusammenzubringen trachten. Der Prozesscharakter der Kunstwerke ist nichts anderes als ihr Zeitkern“.

2) Der Maler geht schließlich immer wieder alle möglichen und umöglichen Umwege, um meist bei denselben Problemstellungen wieder anzukommen. Und bis zu einem gewissen Grad erzeugt sich in der Voute, die in diesen Arbeiten die Ideen der >abstrakten< Malerei dieses Jahrhunderts deformiert und verdreht, ein ganz bestimmter, ein spezifischer Raum, den man wohl am ehesten einen mentalen Raum nennen könnte, der Alexander Fasekasch ausserideologisch, >eigentlich< erscheinen mag.

Josef Pausch, Künstler (1949-2010)

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